
Plötzlich fuhr er doch...
Erst sieht es so aus, als würde er den 20-jährigen Motorradfahrer vorbei lassen. Dann fährt der 78-Jährige doch.
Das Urteil: Fahrlässige Tötung
Jonas P. war ein vorbildlicher Motorradfahrer. Auch am 24. April 2020 fuhr der 20-jährige ruhig und konzentriert über die Kreisstraße 81 von Bergen nach Baven. Der geistige Aussetzer eines entgegen kommenden Sprinter-Fahrers kostete den Auszubildenden das Leben. Vor dem Amtsgericht Celle sollte der 78-jährige Reinhard H. nun erklären, wie er den Kraftradfahrer bei besten Sichtverhältnissen übersehen konnte. (Quelle CZ)
Angeklagter: "Sonne hat mich geblendet"
Der Angeklagte und seine Strafverteidigerin hatten wenig vorzutragen, um ein Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung abzuwenden. „Die Sonne hat etwas geblendet und das geht dann so schnell wegen der Kurve“, versuchte der Hermannsburger den Unfallhergang bei Hof Grauen zu rechtfertigen. Ein technischer Sachverständiger, der bereits eine Stunde nach dem tödlichen Unfall vor Ort war, und Zeugen behaupteten jedoch das Gegenteil: Die Sonne habe bei dem schrecklichen Zusammenprall gegen 12.40 Uhr weit oben am Himmel gestanden. Straße und Sicht seien bei trockener Witterung und 18 Grad Celsius gut gewesen. (Quelle CZ)
Sabine H. aus Faßberg, die in ihrem Auto hinter Jonas P. fuhr, belastete den 78-jährigen schwer. Sie habe den Motorradfahrer vor dem Unfall eine ganze Weile verfolgt. „Der ist sehr gesittet gefahren. Ich habe mich noch gewundert, dass er so langsam war“, erinnerte sich die 46-jährige. Ihr Vordermann habe nicht einmal die an dieser Stelle erlaubten 70 km/h auf dem Tacho gehabt. (Quelle CZ)

Video: HannoverReporter
Unfallverursacher fährt ohne Vorwarnung
„Es war offensichtlich, dass er den Gegenverkehr durchlassen wollte“, sagte die Zeugin und berichtete weiter: „Als der Motorradfahrer dann auf seiner Höhe war, ist er plötzlich losgefahren. Und dann kam es zu diesem Unfall.“ Vielen Zuschauern standen während der Verhandlung die Tränen in den Augen. (Quelle CZ)
Sprinter war mitten auf Gegenfahrbahn
„Ich bin ja gar nicht abgebogen, das Fahrzeug ist auf der Straße stehen geblieben“, hatte der Angeklagte zuvor behauptet. Beweisen konnte er das freilich nicht, zumal er auch noch vorm Eintreffen der Polizei den Kleintransporter in einen Seitenweg fuhr und so die Rekonstruktion des Unfalls erschwerte. „Der Sprinter muss mit der Vorderachse komplett auf die Gegenfahrbahn eingefahren sein„, sagte Diplom-Ingenieur Andreas Knoop und betonte: „Das war für mich vor Ort zweifelsfrei zu klären.“
Für ein Ausweichmanöver hatte Jonas P. offenbar keine Zeit mehr. „Das Motorrad fuhr aufrecht in den Sprinter“, stellte der Sachverständige fest und sagte auch: „Herr H. hätte den Motorradfahrer sehen müssen.“ Jonas P. sei auf seiner 600er Yamaha zwischen 60 bis 80 km/h gefahren. (Quelle CZ)
Keine Antworten für die Hinterbliebenen
Die Eltern des Getöteten zeigten sich schon vor der Urteilsverkündung enttäuscht. „Unser oberstes Ziel war es, die Wahrheit herauszubekommen, und zu verstehen, warum es zu diesem Unfall gekommen ist. Ich habe die Antworten darauf immer noch nicht. Dabei ist es das, womit wir den Rest unseres Lebens auskommen müssen“, sagte der Vater. (Quelle CZ)
Fahrlässige Tötung: Angeklagter muss Geldstrafe zahlen
Richterin Wünschenmeyer drückte den Angehörigen ihre „herzlichste Anteilnahme“ aus. „Niemand kann sich vorstellen, was sie als Eltern durchmachen mussten“, sagte sie. Der Verlust sei nicht wiedergutzumachen. Den Angeklagten verurteilte sie wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 9600 Euro, fünf Monaten Führerscheinentzug sowie der Übernahme sämtlicher Gerichts- und Anwaltskosten – die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine etwas niedrigere Summe gefordert. „Es ist ein grobes Fehlverhalten, wenn man bei guter Witterung und optimaler Sicht einen entgegenkommenden Motorradfahrer übersieht“, so die Richterin. Durch die Unachtsamkeit von Reinhard H. sei ein junger Mensch aus dem Leben gerissen worden. „Der Angeklagte wird mit dieser Schuld leben müssen.“ (Quelle CZ)